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04.|05. Dezember 2009
con-|temporary FRyborg
queerverweise aus der peripherie

 

Im konzeptuellen Anschluss an den Sammelband queere (t)ex(t)perimente (2008) beschäftigt sich die Tagung „con-/temporary FRyborg – queerverweise aus der peripherie“ mit den re- und deterritorialisierenden Potentialen von queer. Mit Volcano glauben wir daran, „Grenzen zu überschreiten, nicht nur ein Mal, sondern so oft es notwendig ist, um ein Netz zu weben, auf dem wir uns alle fortbewegen können“ (Volcano 2000, 5). Wir denken uns dieses Netz als Rhizom, ein unabschließendes und unabschließbares Wuchern von abstrakten Wissensbeständen und manifesten Körperformationen, Ideen und Zeichen, Erfahrungen und Geschichten…. Mit unserer Tagung möchten wir Teil dieses Wucherns werden, möchten wir im Wuchern Teil der Geschichten werden, die wir uns gegen- und wechselseitig selbst und fremd erzählen.
Die Pfade, die wir mit „con-/temporary FRyborg“ ein- und schlagen, be- und gehen, sind bei thematischer Einschränkung inhaltlich polymorph. Den vielschichtigen Knoten unseres Wucherns bildet lokal die Stadt Freiburg, theoretisch ein Gewimmel aus unterschiedlichsten Diskurssträngen, personell eine Vielzahl von un/an/geeigneten Anderen, materiell-semiotischen Akteur_innen und FRyborgs. Thematisch geht es um die öffentliche Verbreitung von queer im kleinstädtischen Raum mit dem Fokus auf Verbindungsmöglichkeiten von Wissenschaft und Kunst.

Wie im Titel als Wortspiel bereits offen formuliert, fokussiert die Tagung „con-/temporary FRyborg – queerverweise aus der peripherie“ Vielerlei: Auf der einen Seite geht es um die Stadt Freiburg, hier und heute, und auf der anderen Seite um die Thematisierung von Freiburgs Zeitlichkeit bzw. der zeitlichen Determination der queeren Aus-/Gestaltung(en) Freiburgs. Zum anderen geht es um Menschen, die sich in Freiburg aufhalten, jetzt – wie lange schon oder wie lange noch spielt dabei keine Rolle. „FRyborg“ lehnt sich dabei an den in queer-feministischen Kontexten programmatisch für die Auflösung bzw. Verm/wischung mehrerer hierarchisierender Grenzziehungen verwendeten und von Haraway entlehnten Begriff des_der Cyborg_s als Metapher für Widersprüchlichkeiten, Heterogenitäten und Pluralitäten von Erscheinungsformen, „als imaginäre Figur und als gelebte Erfahrung“ (Haraway 1995, 34) sowie deren kontextuelle situative Verortung an und erfährt durch diese Genealogie eine für uns im Kontext queer als positiv empfundene Konnotation. Ein_e FRyborg könnte dann zum Beispiel ein sich in Freiburg aufhaltendes situiertes und situatives Konglomerat aus strukturell heterogenen, widersprüchlichen und polymorphen Organismen sein. Vielleicht aber auch etwas anderes…

Weiterhin geht es der Tagung um Zusammenschlüsse und Vernetzungen dieser ganz unterschiedlichen Positionierungen sowie um deren gegen- und wechselseitige Verweise – queerverweise. Die Lokalisierung dieser Verweise in der Peripherie soll einerseits der ebenfalls von Haraway theoretisch formulierten Situiertheit aller Wissensbestände und Körper praktisch Rechnung tragen sowie andererseits als besonders queer gefeierte Hochburgen dezentralisieren und damit queer als Möglichkeit de- und in Freiburg reterritorialisieren. Auf diese Weise soll die Verbreitung queeren Gedankenguts und queerer Handlungsmöglichkeiten weiter getrieben und gegebenenfalls durch den Aspekt „Peripherie“ modifiziert werden.

Die Tagung ist deshalb ausgewiesen Praxis bezogen ausgerichtet. Queer als Strategienbündel gegen Normalisierungspraktiken und -technologien sowie Hierarchisierungen soll direkt und offensiv in und an Freiburg zum Einsatz kommen. Indem wir nach Normalitäten von Freiburg und den Menschen, die in Freiburg leben und dadurch die Stadt und ihr Stadtbild mit-/gestalten, fragen und uns ebenfalls als solche gestaltenden Menschen begreifen, die durch ihre Aktivitäten die Stadt und ihr Bild mit-/gestalten, de-/konstruieren wir Normalität und explizit die Normalitäten Freiburgs.
Um queere und/oder queerende Aktivitäten zu initiieren, bedient sich die Tagung mehrerer Strategien: Einerseits wird es öffentliche Vorträge und Abendprogramme mit Lesung sowie während der Tagung entstandener Performances und/oder dokumentarischer Diashows geben. Andererseits sollen anmeldepflichtige und in der Teilnehmendenzahl begrenzte Workshops einen geschützten Raum für offensive Interventionen schaffen.

Trotz Ergebnisorientiertheit, wenngleich offen gehaltener, möchten wir nicht die Welt verändern, denn wir sind nicht für sie verantwortlich. „Wir leben hier einfach und versuchen, mittels unserer prothetischen Werkzeuge, einschließlich unserer Visualisierungstechnologien, nicht-unschuldige Konversationen zu beginnen“ (Haraway 1995, 94).
Denn:

wir sind viel mehr
als was wir sehen
beim scheuen blick ins spiegelnichts
mal sind wir auge
mal mund
mal nase
mal schweben wir in einer blase
aus spiegelglattem chrom dahin
mal springen wir wie eine vase
in tausend scherben
leer von sinn
mal schöpfen wir aus tiefer quelle
mal kratzen wir am blanken boden
mal zielen wir zentral ins helle
und zerschellen als wirbelnde feuerwelle
besetztes land zu roden
mal sprühen wir in heißen funken
den schmerz der einsamkeit
in alle winde
mal entreißen wir in stummen stunden
dem körper grob die haut
die rinde
mal pumpen wir in rhythmischen stößen
von innen alles leid heraus
dann nehmen wir im gebrochenen körperseelenspiegel
friedlich und ungestört reißaus
doch noch sind wir hier
noch ist vieles zu tragen
zu ertragen
zu beklagen
und zu wagen
ich wage den schritt
bist du mit dabei
keine angst
es kann dir nichts passieren
denn dein spiegelbild ist schon entzwei …

 

Die FRYBORGS